DIESE BEIDEN SIND GESCHWISTER UND ORDENSLEUTE
Zwillinge im Kloster: "Wenn es mir gut geht, geht es ihm auch gut"
VON MADELEINE SPENDIER – katholisch.de
Auf dem Foto hält Bruder Thomas Hessler seine Zwillingsschwester Regina fest im Arm. "Wir haben eine gute Verbindung zueinander", sagt Regina Hessler. Das Foto, auf dem die beiden zu sehen sind, wurde an dem Tag ihrer Ewigen Profess gemacht. Damals hat die 57-Jährige versprochen, für immer als Benediktinerin in der Abtei Frauenwörth am Chiemsee leben zu wollen. Und das hat ihren Bruder, der ebenso als Benediktiner in einem Kloster lebt, einfach gefreut. "Eigentlich war er es, der mich in diese Richtung gebracht hat", sagt die Ordensfrau. Denn zuvor war sie schon in einer anderen Gemeinschaft.
Die beiden Geschwister werden 1968 in Niederösterreich geboren und auf die beiden Vornamen "Regina und Richard" getauft. "Unsere Eltern dachten, es sei gut, wenn wir beide einen Namen mit 'R' haben", lacht die Ordensfrau. Als Jugendliche kommen die beiden dann früh in Kontakt mit der Fokolar-Bewegung, einer geistlichen Gemeinschaft, die in Italien gegründet wurde. "Eine Bekannte hatte uns zu einem Ferienlager eingeladen und dann sind wir da hängengeblieben", erinnert sich Schwester Regina. Die beiden werden Mitglieder in der Erneuerungsbewegung und engagieren sich dort. Thomas zieht sich aber nach der Schule aus der Gemeinschaft zurück und beschließt, in ein Kloster zu gehen. Er wird Augustiner-Chorherr und tritt ins Stift Reichersberg in Oberösterreich ein. Dort nimmt er den Ordensnamen "Thomas" an, den er bis heute trägt.
Seine Zwillingsschwester Regina bleibt hingegen in der Fokolar-Bewegung aktiv. Nach der Schule besucht sie eine berufsbildende, kaufmännische Schule und arbeitet in der elterlichen Autowerkstatt mit. Dann möchte sie sich noch mehr in der Fokolar-Bewegung einbringen und ihr Leben "ganz Gott schenken". Mit 24 Jahren wird sie Fokolarin und für die Zeit ihrer Ausbildung geht sie dafür nach Loppiano, in der Nähe von Florenz. Fokolare sind Personen, die ihr Leben Gott weihen und sich durch ein Gelübde, indem sie Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit versprechen, an die Gemeinschaft binden. Sie leben in sogenannten Fokolaren zu viert oder fünf zusammen. Diese verschiedenen Fokolargemeinschaften gibt es auf der ganzen Welt. Um den Lebensunterhalt der Gemeinschaft zu verdienen, sind verschiedene Betriebe entstanden. Regina Hessler arbeitet damals in einer Firma für Babyausstattung. Zwölf Jahre bleibt sie in Italien und es gefällt ihr dort gut. Danach wechselt sie in eine andere Gruppe der Fokolar-Bewegung nach Stuttgart und wird nach einiger Zeit von dort nach Wien "geschickt". Sie soll dort ein Team der Gemeinschaft verstärken, das gemeinsam ein Hotel leitet.
"Fühlte mich fremdbestimmt"
Damals hat "der letzte Weg ihres Vaters begonnen" und sie ist eigentlich "froh darüber, in seiner Nähe sein zu können", blickt die heute 57-Jährige zurück. Der Tod ihres Vaters trifft sie dann sehr. Dazu kommt, dass sie sich "innerlich ausgebrannt und erschöpft" fühlt. Auch bei ihren vielfältigen Aufgaben in dem Hotelbetrieb stößt sie an ihre Grenzen. Es wird ihr alles zu viel. Schwester Regina ist 50 Jahre alt, als sie feststellt, dass sie eine Auszeit braucht. "Ich fühlte mich fremdbestimmt und musste einfach mal raus", sagt sie heute. Sie nimmt sich eine Auszeit von der Fokolar-Bewegung, ohne zu wissen, wie es weitergehen soll. Mit ihrem Zwillingsbruder bespricht sie das alles und er steht an ihrer Seite. "Wenn es mir nicht gut geht, dann geht es ihm auch nicht gut", sagt Regina.
Ihr Zwillingsbruder Thomas bietet ihr an, dass sie für eine bestimmte Zeit in sein Kloster kommen könne. Er lebt damals nicht mehr im Stift Reichersberg, sondern in einer neuen Mönchsgemeinschaft. "Ich habe nach einer kurzen Zeit in Reichersberg gemerkt, dass ich viel zu früh in ein Kloster gegangen bin, weil mir wichtige Lebenserfahrungen fehlten", erklärt der Ordensmann. Damals beschließt er, nach seinem Klosteraustritt Theologie zu studieren und beginnt dann eine Ausbildung zum Heilpädagogen in München. Dann lernt er eine Gruppe von Benediktinern kennen, die eine neue Gemeinschaft in dem Kloster Gut Aich in Sankt Gilgen am Wolfgangsee aufbauen wollen. Bruder Thomas wird ein Mitgründer dieses neuen Klosters. Heute gehören zehn Mönche zu der monastischen Gemeinschaft, die sich Europakloster nennt. Bruder Thomas ist deren Prior und leitet die dazu gehörenden Wirtschaftsbetriebe und Kunstwerkstätten, sowie die fast 50 Mitarbeitenden, denn die klösterliche Gemeinschaft finanziert sich selbst. Nebenher ist der Ordensmann auch künstlerisch tätig, malt viel und gestaltet beispielsweise Glasfenster für Kirchen.
Als seine Schwester zu Besuch im Europakloster ist, wird einer seiner Mitbrüder, Pater Johannes Pausch, nach Frauenwörth eingeladen, um dort mit den Schwestern eine besondere Festmesse mitzufeiern. Weil ihr Bruder Thomas vor ein paar Jahren den Chorraum der Gebetskapelle in der Benediktinerinnenabtei in Frauenwörth in Bayern gestaltet hat, ist er auch eingeladen. Schwester Regina begleitet ihn und die anderen Mönche dorthin. Und sie lernt dabei die Äbtissin der Gemeinschaft kennen. Diese bittet sie, ihre geistliche Begleiterin zu werden und ihr dabei zu helfen, ihr Leben neu zu sortieren. Bald darauf entscheidet sich Schwester Regina, die Fokolar-Bewegung endgültig zu verlassen und ihr Gelübde dort aufzulösen. Diesen Schritt sieht sie nicht als Bruch, sondern blickt versöhnt und dankbar zurück.
Heute tut ihr das Leben in Klausur gut
In der Abtei Frauenwörth am Chiemsee leben heute 14 Frauen, viele davon über 80 Jahre alt. Doch für Schwester Regina ist es vor allem deren klösterliches Leben, das sie fasziniert und ihr gut tut. Das Leben nach der Regel des heiligen Benedikt vermittelt ihr etwas "Stabiles". Schließlich tritt sie dort ein und legt 2024 in die Hände der Äbtissin das Versprechen, ihr Leben mit Gott in dieser Gemeinschaft zu leben. Das Leben in einem klausurierten Kloster und auf einer Insel engt sie nicht ein, sagt Schwester Regina. Im Gegenteil: Sie erfahre dort viel Freiheit, könne mit den anderen Schwestern der Gemeinschaft mitentscheiden und erlebe auch den Gehorsam als Dialog. Außerdem habe sie in der Gemeinschaft Aufgaben übernommen, die zu ihr passen, wie sie sagt. Die Schwestern betreiben neben dem Klosterladen ein Bildungshaus mit Gästebetrieb. Regina ist dort Gastschwester und ist für das neu renovierte Gästehaus Scholastika verantwortlich.
Zwar sei es schon eine drängende Frage, wie es mit der Gemeinschaft weitergehen werde, weil "wir immer älter werden und keine jungen Schwestern nachkommen", sagt die Benediktinerin nachdenklich. Doch sie blicke zuversichtlich in die Zukunft. Sie ist froh darüber, dass täglich so viele Touristen und Gäste auf die Klosterinsel auf dem Chiemsee kommen. "Wer Ruhe und Stille sucht, ist bei uns auf der Insel genau richtig", unterstreicht sie. Die 57-Jährige ist froh, endlich in ihrem Leben angekommen zu sein – "auch mit ihrem anderen geistlichen Vorleben". Dadurch könne sie Brüche im Leben von Menschen besser verstehen und annehmen.
Das sieht ihr Zwillingsbruder Thomas genauso. Auch er kennt die Herausforderungen eines Lebens im Kloster und erlebt selbst eine Krise im Kloster, sodass er überlegte sogar auszutreten. "Ich hatte so eine Sehnsucht nach der Zweisamkeit in einer Beziehung", sagt er und pflegt damals im Kloster eine "Außenbeziehung zu einem Mann". Mit 41 Jahren sei er dann "endlich im Kloster angekommen". Heute lebt er bewusst als "Laienbruder im Kloster" und hat sich nicht zum Priester weihen lassen. "Solange Frauen nicht gleichberechtigt in der Kirche sind", erklärt der 57-Jährige, möchte er lieber nur Laienbruder sein.
"Wollte nie eine eigene Familie"
Für Schwester Regina ist es ein Geschenk, ehelos leben zu können. "Eine eigene Familie gründen wollte ich nie", sagt sie. Die beiden sind mit drei weiteren Geschwistern aufgewachsen. Einer ihrer Brüder hat sogar eine Zeit lang im selben Kloster wie Bruder Thomas gelebt, ist dann aber wieder ausgetreten und lebt heute in einer Partnerschaft. "Das gehört zum Leben dazu, dass man sich weiterentwickelt und man sich neu entscheiden kann", meint Schwester Regina. Jeden Tag sitzt die Benediktinerin mit ihren Mitschwestern in der Chorkapelle von Frauenwörth. Vorne im Altarraum spiegeln sich dann oft die Glasfenster, die ihr Zwillingsbruder gestaltet hat, in der Sonne. "Wer hätte das gedacht, dass wir beide einmal den gleichen Weg gehen werden und in einem Benediktinerkloster leben", lacht sie nicht ohne Dankbarkeit.
Text zu den Fotos:
01/Auf dem Foto hält Bruder Thomas Hessler seine Zwillingsschwester Regina fest im Arm. "Wir haben eine gute Verbindung zueinander", sagt Regina Hessler.
02/Die Äbtissin von Frauenwörth, Johanna Mayer, überreicht Schwester Regina Hessler während der Feier zu ihrer Ewigen Profess im Jahr 2024 das monastische Gewand, die Kukulle.
03/Schwester Regina Hessler mit ihrem Zwillingsbruder bei ihrer Ewigen Profess. Mit ihr freuen sich ihre drei weiteren Geschwister mit Familie. Früher spielte die Benediktinerin gerne Fußball, daher bekam sie einen geschenkt.
Text: Madeleine Spendier / Fotos: Monika Wrba